Romanes "Der Wind bläst"/"The Wind Blows"

CST_6_1988_bis_1995_ (141)

Erklärung

Auf der rechten Seite trägt ein junges Mädchen Brennholz. Ceija Stojka schrieb, dass eine der ersten Aufgaben nach dem Abstellen des Wagens für den Abend darin bestand, sich auf die Suche nach Brennholz zu machen. Ein Lagerfeuer diente oft als Wärmequelle zum Kochen und als Treffpunkt, um Geschichten zu erzählen und bis spät in die Nacht Musik zu spielen. Der Ofen im Wagen wurde ebenfalls mit Brennholz beheizt und oft köchelte den ganzen Tag über eine Kanne Tee aus gesammelten Kräutern.

Auf der linken Seite hat Ceija Stojka eine Liste von Wörtern auf Romanes mit ihrer deutschen Übersetzung verfasst. "Romani / Romanes / Romani čhib Romani und Romanes sind die allgemeinen Namen für die Sprache und ihre vielen verschiedenen Varianten, die von Roma, Sinti, Kalé und allen anderen ethnischen Gruppen in Europa verwendet werden, die eine indische bzw. indo-arische Sprache sprechen oder sprechen. Der Begriff "Romanes", abgeleitet von einem Adverb, wird fast ausschließlich im deutschsprachigen Raum verwendet. Der Begriff "Romani" leitet sich von einem Adjektiv ab: "Romani čhib" - "Roma-Zunge, Roma-Sprache". Romani, in englischen Texten oft als Romany bezeichnet, wird international als Oberbegriff für die romanische Sprache und ihre verschiedenen Varianten oder Dialekte verwendet."

Die Romani-Sprache, die Ceija Stojka und ihre Familie als Lovara sprachen, gehörte zum Vlach/Vlachs/Vlax-Dialekt. Bevor dieser Dialekt Mitte des 19. Jahrhunderts ins heutige Österreich gelangte, lebten sie etwa fünfhundert Jahre lang in Europa, beginnend im 14. Jahrhundert in Rumänien (Walachei, Moldawien, Siebenbürgen). Vor allem in der Walachei und Moldawien wurden die Walachen bekanntermaßen als versklavte Arbeiter eingesetzt, zunächst von der Kirche und den Klöstern, dann von den Gutsbesitzern.(2) Im 19. Jahrhundert, nach Jahrhunderten der Knechtschaft, begannen Gruppen aus diesen Gebieten nach Westen in verschiedene europäische Länder und dann weiter ins Ausland zu migrieren. Stojkas Mutter und Großeltern stammten aus dem ostösterreichischen Bundesland Burgenland, das zur Österreichisch-Ungarischen Monarchie gehörte, bevor es nach dem Ersten Weltkrieg Teil der Österreichischen Republik wurde. Tatsächlich spiegeln einige von Stojkas Worten ungarische Einflüsse wider. Seit über zwei Jahrzehnten arbeiten Wissenschaftler an der Veröffentlichung von Sammlungen mündlicher Musiktexte, Volksmärchen, Märchen, Legenden und autobiografischen Geschichten sowie an der Zusammenstellung von Wörterbüchern für die Romani-Varianten des österreichischen Lovara.(3)

 Ceija Stojka war zweisprachig in Vlachs-Romanes und Deutsch und fühlte sich wohl, beides zu sprechen, letzteres auch im Wiener Dialekt. Mehrere Seiten in Ceija Stojkas Notizbüchern enthalten Geschichten auf Romanes und Listen wie die auf dieser Seite, als ob sie sich bewusst darum bemühte, die Sprache zu bewahren und zu lehren.

Description

On the right-hand page, a young girlis carrying firewood. Ceija Stojka wrote that one of the first tasks afterparking the wagon for the evening was to go in search of firewood. A campfireoften served as a heat source for cooking and a gathering place for tellingstories and playing music well into the night. The stove in the wagon was alsoheated by firewood and often had a pot of tea made from gathered herbssimmering all day.

On the left-hand page, Ceija Stojkahas written a list of words in Romany with their German translation. “Romani,[Romany], and Romanes are the general names for the mostly orally transmittedlanguage and its many different variants used by Roma, Sinti, Kale and allother ethnic groups in Europe who speak or spoke an Indic, or respectivelyIndo-Aryan language. The term 'Romanes', derived from an adverb, is used almostexclusively in German speaking countries. The term 'Romani' is derived from anadjective: 'Romani čhib' - ‘Roma-tongue, Roma-language’. Romani, often spelledRomany in English texts, is used internationally as the general term for Romanilanguage and its different variants or dialects.”(1)

The Romani language that CeijaStojka and her family spoke as Lovara belonged to the Vlach/Vlachs/Vlaxdialect. Before coming to present-day Austria in the mid-nineteenth century,speakers of this dialect had lived in Europe for around five hundred years,beginning in the fourteenth century in Romania (Wallachia, Moldavia,Transylvania). In Wallachia and Moldavia in particular, the Vlachs werenotoriously used as enslaved laborers, first by the church and monasteries,then by estate owners.(2)  In the nineteenthcentury, after centuries of bondage, groups from these areas began to migratewest into various European countries and then farther abroad. Stojka’s motherand grandparents came from the eastern Austrian province of Burgenland, whichhad belonged to the Austro-Hungarian Empire before becoming part of theAustrian Republic after World War I. Indeed, some of Stojka’s words reflectHungarian influences. For over two decades, scholars have been working onpublishing collections of oral musical lyrics, folktales, fairy tales, legends,and autobiographical stories and on assembling dictionaries for the Romanivariations of Austrian Lovara.(3)

Ceija Stojka was bilingual in VlachsRomany and German, and felt comfortable speaking both, the latter also in theViennese dialect.  Several pages in CeijaStojka’s notebooks contain stories in Romany and lists such as the one on thispage as if she were consciously striving to preserve and teach the language.


Ceija Stojka in Romany




S. 1

Deral And E Gascht

Dei E Ballwal Buhrdel


S. 2

Schiegeritzo

Gescharte

Laudas Ando ligto

intrego

Schie Rakaw

O Pari Boldel i Roda

Pe Gado

Tocha Patschasie

O Gowatsch

ie Marel Pesg Sastrie

Schönes innge

Giendien Du Balbale

Gaj Sammas

Aber Baramietscha

Be i Rieg tiekkes

Sumawel

Awrie zieutas

wariga

Schi troman

schatscho

Gerdo

Sogodie

Rakken

Gratza

O Rat Foliej

Schie trobandas

iggerdas

Pierrij

Annaglal

Uniewar

Mei Budiewar

i dej so tromal

buhre Lowe

Beschen

Garmiego

Sumawel

Gettschie

Armaja

Sersienn

Obre

Malawel Bestie zehrra

Butschro

Gade sass

Dolmut

Ceija Stojka’s Translation into phonetical German


S. 1

Von Weitem Holt Sie Hols

Und der Wind Blest


S. 2

Drah die

Wawal (Waberl)

Korb

Mit Bal in Der Luft

ganze Genze

ich fiend Nicht

Das

 Wasser Dret Das Rad

Auf

 Diesen Platz ist Ruhe

Der Schmie

t Schekt Sein Eissen

weist Du Noch

Denke zu Rück

Wo Waren Wier

Andere Geschichte

Du

schaust Auf Die Seite

Brobieren

Aus gezogen

irgent Wo

Nicht trauen

Richtig

gemacht

Alles

finden

Ekel

Das Blut Fliest

Nicht Gebraucht

getragen

Er Schaft Es

Hervor

Manches Nal

Meistens

die Muter

Der Gurasche

Altes Geld

Wohnnen zittzen

Geschetz tuchtig

Probieren, Kosten

Wiefiel

Fluch

organiesiren

Er Schlekt

Sein Zelt Auf

Beutel

So war es

lange, Lenkst

Translation into standard German by Nuna Stojka, Carina Kurta, and Lorely French


S. 1

Von Weitem Holt Sie Holz

Und der Wind Bläst

S. 2

Dreh dich Mädchen

Korb

 mit Ball in der Luft

Ganze Gänze

Ich finde nicht

Das

Wasser dreht das Rad

Auf

 diesem Platz ist Ruhe

Der Schm

ied schlägt sein Eisen

Weißt Du noch

Denke zurück

Wo waren wir

Andere Geschichte

Du

 schaust auf die Seite

probieren

ausgezogen

irgendwo

nicht trauen

richtig

gemacht

alles

finden

Ekel

das Blut fließt

nicht gebraucht

getragen

er schafft es

Hervor

Manchmal

meistens

die Mutter

 der Courage

(die sich traut)

Altes Geld

sitzen

geschäftstüchtig

Probieren, kosten

Wieviel

Fluch

Organisieren

er schlägt sein Zelt auf

Beutel

So war es

lange, längst

Translation into English by Lorely French and Carina Kurta


p. 1


From far and wide she gathers firewood

And the wind blows

p. 2

Turn around girl

Basket

with ball in the air

whole, wholeness

I don’t find

The w

ater turns the wheel

At this place is peace

The

 bla

cksmith hits his iron

Do you still know

Think back

Where we were

Another story

You look to the side

Try

Moved out

Somewhere

Don’t mourn

Correctly

done

everything

Find

Disgust

The blood is flowing

Not needed

carried

He’ll do it

Onwards

Sometimes

Mostly

The courageous mother

Old money

To sit

Appreciated,

 hardworking

Try, taste

How many

Curse

Organize

He pitches his tent

Pouch

That’s how it was

Long, long ago

Anmerkungen/Notes

1.“Romani-Romanes-Romani-čhib”, Glossar, RomArchive, https://www.romarchive.eu/de/terms/romani-romanes-romani-chib/;  English Translation: “Terms,” RomaArchive,https://www.romarchive.eu/en/terms/romani-romanes-romani-chib/

“Factsheetson Roma Language: Romani–an Indo-Aryan Language of Europe.”

Permalink: https://perma.cc/AMM3-H7NG; und Romani Projekt: https://romani-project.org/.

2. Vgl. Viorel Achim, "The Gypsies in RomanianLands During the Middle Ages: Slavery," Chap. II in The Roma in Romanian History," Budapest: Central European Press,2004, S.. 27-85; Open Access: https://books.openedition.org/ceup/1550; und Sabina Fati, "Rumänien:Entschuldigung für Roma-Versklavung," Deutsche Welle, 03.03.2023:

https://www.dw.com/de/rum%C3%A4nien-roma-fordern-entschuldigung-von-orthodoxer-kirche/a-64876952

 3. Siehe Petra Cech, ChristianeFennesz-Juhasz, Dieter W. Halwachs, und Mozes F. Heinschink, Hrsg. Fern von uns im Traum. . .Te na dikhassunende. . .: Märchen, Erzählungen und Lieder der Lovara/Lovarenge paramići,tertenetura taj gjila. Klagenfurt: Drava, 2001;  und Peter Bakker, Yaron Matras. Bibliography of Modern Romani Linguistics:Including A Guide to Romani Linguistics. Amsterdam Studies in the Theoryand History of Linguistics Science 28. Amsterdam: John Benjamins, 2003. 

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